Der Helikopter-Hundehalter
Es gibt viele Gründe seinen Hund auf dem Spaziergang vor anderen Hunden zu beschützen; der eigene Hund kann eine ansteckende Krankheit haben, gerade operiert und somit nicht belastbar sein, die Hündin kann gerade in der Standhitze sein und viele andere Gründe mehr. Was mir allerdings von Herzen Leid tut, ist der Anblick eines Hundes, der von seinen Haltern permanent vor Artgenossen „beschützt“ wird.
Vor kurzem begegnete mir ein Paar mit einer ca. einjährigen Hündin. Als die beiden Menschen meine beiden Hunde und mich erblickten, geschah folgendes: Der Mann stellte sich mit weit ausgestreckten Armen etwa zwei Meter von Hund und Frauchen entfernt frontal vor uns hin. Mich erinnerte er an einen Ringer direkt vor dem Angriff. Frauchen stellte sich mit Hund in die Ackerfurche, die Hündin guckte eingeschüchtert, aber interessiert zu uns herüber, Frauchen nahm zeitgleich die Leine sehr kurz und sprach ununterbrochen auf die Hündin ein. „ Nein, alles ist gut. Sei brav. Nein, lieb sein. Bleib stehen, …“
Ich nahm meine Süßen bei Fuß und grüßte freundlich, was ziemlich gequält erwidert wurde. Nach dem Passieren des seltsamen Pärchens passierte genau das, was ich erwartet hatte: Die Hündin sprang in die Leine, wollte uns hinterher und nun doch Kontakt aufnehmen, dies wurde mit viel Energie, Reißen an der Leine, und Kommentaren –„ nein, wir gehen weiter, nun komm doch, wir wollen weiter,…“ begleitet. Am Ende wurde der sich sträubende Hund weiter gezogen und das Trio entfernte sich.
Für die Hunde, die nur ruhig passieren wollen, ist diese ganze Aufregung übrigens auch kontraproduktiv. In Sekundenschnelle wird die Aufregung per Stimmungsübertragung auf die durchaus freundlich eingestellten Hunde übertragen. Spätestens nachdem der „beschützte“ Hund hinter seinem Frauchen hergesprungen kommt und an der Leine auf die vorbeigehenden Hunde zu hüpft, wird auch der ruhigste und besterzogenste Hund zumindest mal den Hals lang machen, um sich dem anderen zuzuwenden und festzustellen, warum der, um Gottes willen, denn so aufgeregt ist. Begegnen sich – wie so oft – zwei Hunde von der oben beschriebenen Sorte, kommt es häufig zu den allseits bekannten unschönen Szenen, in denen die Hunde sich hinterher bellen und keifen. ( (Und manchmal tun es die Menschen zu allem Überfluss auch!)
Aus Berichten von Bekannten, die diese Leute ebenfalls kennen, weiß ich, dass jede Hundebegegnung genauso abläuft.
Dieses Ritual führt auf Dauer zu dem oben beschriebenen Hinterher-Springen, später kommt aufgeregtes Bellen und dann Knurren, Lefzen hochziehen, sprich Drohgebärden dazu. Darum wird der Hund noch früher an der extrem kurzen Leine zur Seite gezogen und so schaukelt sich das -menschengemachte- Fehlverhalten immer mehr hoch. Eine ständige Wiederholung wird hier sicher ein leinenaggressives Verhalten der Hündin zur Folge haben.
Denn was lernt der Hund jedes Mal wenn ein Artgenosse am Horizont auftaucht? Es wird große Aufregung ausgelöst – Mann prescht in Angriffshaltung vor, Hund wird zur Seite gedrängt, Frau redet nervös. Für den Hund ist klar, dass die Welt und andere Hunde sehr gefährlich sein müssen und das seine Besitzer die Situation nicht souverän beherrschen können. Der Hundeinstinkt sagt aber, das es doch schön wäre mit meinen ( äußerst friedlichen ) Hunden zu spielen und mal rasant über die Wiese zu toben. Was wäre das für ein Spaß!
Selbst wenn diese Hündin einmal eine weniger gute Erfahrung mit einem anderen Hund gemacht haben sollte, und deshalb im Umgang mit anderen Hunden unsicher ist, ist es umso wichtiger, eine negative Erfahrung durch viele positive zu überschreiben. Wer sich jetzt hier wiedererkennt, und nicht weiß, wie er seinem Hund zu solchen positiven Erlebnissen verhelfen kann, wende sich bitte gern an mich oder einen anderen Hundetrainer.
Kontakt mit Artgenossen ist für Leib und Seele unserer Hunde unumgänglich! Diese falsch verstandene Tierliebe hat mit artgerechter Behandlung nichts zu tun, zwingt ihn in die soziale Isolation und somit ist letztlich jede Begegnung mit anderen Hunden hoch frustrierend. Hinzu kommt noch, dass dem Tier die körperliche Auslastung fehlt. Das Ergebnis ist ein verhaltensauffälliger Hund, der für seine Besitzer zur Belastung wird. Hunde die so behandelt werden, sind nicht in der Lage hündische Kommunikation zu lernen und schlussendlich entwickelt sich ein aggressives, sich immer mehr steigerndes, unbeherrschtes Verhalten. Spiel ist für die gesunde Entwicklung unserer Hunde zwingend notwendig, das heißt nicht, dass er alle 10 Meter einen neuen Artgenossen kennenlernen will – „Darf der mal schnüffeln?“ Wie immer im Leben geht es um Vernunft und Augenmaß im Umgang mit seiner Umwelt.
Leider sind solche Menschen in der Regel auch nicht ansprechbar, denn ich würde immer gern versuchen hier um Verständnis für den Hund zu werben…Alles in allem eine traurige Geschichte, die wahrlich kein Einzelfall ist.